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Andacht zu Malchus, dem verwundeten Soldaten

Luca-Fynn Schieblich

In der heutigen Medienwelt werden wir immer mehr hautnah Zeugen von entfernten Ereignissen, denen wir uns gar nicht mehr entziehen können. - Doch eigentlich ist das nicht neu. Die Passionsgeschichte Jesu, die uns in allen vier Evangelien ausführlich geschildert wird, nimmt uns als Augenzeugen mit hinein in die Ereignisse damals. Und indem wir auf die Menschen damals blicken, spüren wir auch, wie nah sie uns eigentlich sind. Heute schauen wir auf Malchus, der uns im Evangelium, das wir gerade gehört haben, bereits begegnet ist:


Ich bin Malchus. Noch heute spüre ich die Narbe an meinem rechten Ohr. Und die Hand Jesu, der mein Ohr heilte.

Damals war ich bei der Tempelpolizei, im Dienst des Hohenpriesters Kaiphas. Es war am späten Abend gewesen, als es plötzlich hieß: Einsatz! Alle verfügbaren Männer sofort zum Kommandanten. Einige römische Soldaten von der nahen Burg Antonia waren auch da. Wir schnappten unsere Schwerter, Stangen und Fackeln und zogen los. Und so gingen wir raus aus dem Tempelbezirk, durchs Stadttor rüber zum Ölberg.

Worin unser Einsatz bestand, wusste ich da noch nicht. Aber es hieß, dass wir Jesus suchen, der den Tempel bedroht und sich als Messias ausgibt. Das war ein Fall für Pilatus und auch für Kaiphas. Aber das Ganze wäre eine sichere Sache, hieß es. Die Leute von Jesus wären unbewaffnet.

Als wir zum Garten kamen, sahen wir ihn. Er trat durch das Tor hinaus. Hinter ihm seine Leute. Uns vorweg ging Judas, ein Überläufer; der war bis vor kurzem auch ein Jünger Jesu gewesen. Er trennte sich von uns und ging auf Jesus zu. Dann gab er ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. Das war vorher mit uns so abgesprochen gewesen. Daran konnten wir erkennen, wer von den Männern Jesus ist. Irgendwie fand ich das damals schon etwas perfide, aber es ging ja schließlich um einen Verbrecher. Und wir wollten die Leute ja überrumpeln.

Später soll Judas das alles bereut haben. Er hat sich selbst gerichtet, so sagt man. Und wer weiß, vielleicht hatte er sich das ja auch ganz anders vorgestellt, als es nun ablief. Bei aller Abscheu gegen diesen Verrat empfinde ich doch auch ein bisschen Mitleid mit ihm.

Jedenfalls hörte ich plötzlich die Stimme unseres Kommandanten: „Zugriff!“ Mein Vetter und ich waren in der ersten Reihe. Wir hatten Stricke, um Jesus zu binden und gingen auf ihn zu. Aber dann ging alles ganz schnell. Einer von Jesu Jüngern zückte sein Schwert! Sie nannten ihn Petrus. Ich erschrak: „Die haben ja doch Waffen!“ So schnell hab ich gar nicht geschaut, da spürte ich schon das Schwert auf meinen Helm sausen. Es rutschte seitlich ab und traf mein Ohr. Ich schrie vor Schmerzen.

Verurteilen kann ich den Petrus dafür nicht. Er hat sich gewehrt. Darauf musste ich als Polizist auch gefasst sein. Aus seiner Sicht hat er seinen Meister und Freund verteidigt.

Was mich vielmehr überraschte, - soviel bekam ich noch mit - war, dass es zu keinem weiteren Kampf kam. Jesus befahl dem Petrus, sein Schwert wieder weg zu stecken. Er wollte keinen Kampf. Er wollte seine Jünger retten. Damit wir die nicht auch noch mitnehmen. Er hat uns für sie gebeten. Das fand ich schon damals, als ich wieder klar denken konnte, ganz schön großmütig. Aber noch viel mehr, als dann Jesus mich anfasste und mein Ohr wieder heilte. Muss man sich mal vorstellen: Einer, der gerade gefangen genommen wird, heilt noch seinen Gegner und lässt sich dann widerstandslos abführen.

Ja, beim Verhör und beim Prozess später war ich auch noch dabei. Kam langsam wieder zu mir. Aber je mehr ich das Ganze mitverfolgte, spürte ich: der ist unschuldig. Der stellt gar keine Gefahr da. Einige Wochen später traf ich mal einen seiner Leute. Wir kamen ins Gespräch Er sagte: Jesus hat all das kommen sehen. Vorausgesagt. Er hat das bewusst in Kauf genommen. Er hat das für uns alle getan. Auch für mich.

Ich habe dann irgendwann meinen Dienst quittiert und mir eine andere Arbeit gesucht. Und ich bin Christ geworden. Weil ich Jesus anrechne, dass er sich gegen den Kampf ausgesprochen hat. Weil mir, seinem Feind, da eine Liebe begegnete, wie ich sie nie wieder gespürt habe. Weil Jesus da eine Gewaltspirale durchbrochen hat.

Ich habe meinen Dienst auch aus schlechtem Gewissen aufgegeben. Weil ich erkannte, unter wessen Befehl ich da eigentlich stand. Die Hohenpriester waren halt doch nur am Erhalt ihrer Macht interessiert und konnten da schon mal über Leichen gehen. Skrupellos. Aber das wurde mir erst später bewusst. Und ich bin froh, dass mich damals nach Ostern seine Jünger nicht verurteilten, sondern in ihre Gemeinde aufnahmen. Petrus sagte: Es ist nie zu spät, zur rechten Erkenntnis zu kommen. Jedenfalls: Ich glaube heute, dass Jesus nicht nur als Passalamm für uns gestorben ist. Sondern dass er uns auch heilt von all unseren seelischen und körperlichen Verletzungen, die wir erlebt haben. Oder die wir auch anderen zugefügt haben. So wie bei mir. Ich war ja damals Täter und Opfer zugleich. Aber ich habe für mich gespürt: Dieser Jesus, mein Jesus, gibt nie jemanden auf. Und dafür, dass er mich nicht aufgegeben hat, bin ich ihm dankbar.


Liebe Gemeinde,

manchmal sind wir Petrus. Manchmal verletzen wir andere. Vielleicht sogar, ohne es zu merken. Manchmal sagen vielleicht andere über uns: was, der will Christ sein? Da, wo wir andere verletzt haben, da ist es Zeit, umzukehren. Und es ist möglich. Das sagt uns das Kreuz Jesu.

Manchmal sind wir Malchus, Täter und Opfer zugleich: So wie die Soldaten in der Ukraine, die sich bekämpfen. Dabei muss ich jetzt gar nicht darauf eingehen, welche Sache gerecht oder ungerecht ist. Aber klar ist, dass in einem Krieg Verbrechen begangen werden. Und dass jedes Opfer ein Opfer zu viel ist. In einem Krieg ist es unmöglich, ganz unschuldig zu bleiben. Neulich hörte ich, dass nun mancherorts Russen nicht mehr im Laden bedient werden. Aus Solidarität mit der Ukraine. Das ist nun auch wieder ungerecht. Wir dürfen nicht ein ganzes Volk dafür verantwortlich machen, dass einzelne da oben falsch entscheiden oder böse handeln. Dem müssen wir uns entgegenstellen. Das russische Volk ist auf seine Weise auch Opfer.

Manchmal sind wir Opfer, so wie Jesus. So wie viele Ukrainer, die nichts dafür können, dass sie nun im Krieg sind. Für sie wollen wir beten. Und ihnen helfen, wo wir nur können. Amen.

(Bild: https://alchetron.com/Malchus#malchus-b7c3810c-c943-4bd5-ac7d-ee930486569-resize-750.jpeg)

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