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Predigt zu Reminiszere am 13.03.

Luca-Fynn Schieblich

Liebe Gemeinde,

„Wachet, betet“. So ist an der Kirchturmuhr unserer Petrikirche auf dem Ziffernblatt zu lesen. Es sind zwei Worte Jesu, die er im Garten Gethsemane zu seinen Jüngern sprach. Jesus mit seinen Jüngern nach Jerusalem gezogen. In die Höhle des Löwen. Nachdem ihm die Menge zu Anfangs noch zugejubelt hat, ist es mittlerweile still geworden um die Gruppe. Nach dem Passamahl, das sie gemeinsam gefeiert haben, dem Abendmahl, ist er mit seinen Jüngern wie schon so oft hinaus gegangen aus der Stadt, in den Garten jenseits des Kidronbachs. Drei Jünger hat er mit sich genommen, Petrus, Johannes und Jakobus, seine engsten Vertrauten. Und auch sie lässt er zurück, geht in die totale Einsamkeit und betet in tiefer Not zu seinem Vater: „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“ Jesus erlebt diese Furcht vor dem, was auf ihn zukommt, ist hier ganz Mensch. Aber immer auch mit dem Satz verbunden: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.“

Jesus geht den Weg der absoluten Gewaltlosigkeit, den er zuvor gepredigt hat. Zuvor hatte er gesagt: „Wenn dir jemand auf die eine Wange schlägt, dem biete die andere auch dar.“ Und als später seine Jünger für ihn kämpfen wollen, da weist er sie zurück und lässt sich ohne Widerstand festnehmen.

Erst später verstehen die Jünger, warum Jesus das gemacht hat. Sie erkennen darin seine Hingabe, seine Liebe. „Dahingegeben für alle Menschen“. Und daraus leben wir, weil er damit Frieden schafft zwischen Gott und uns Menschen. Weil er uns dadurch Gottes Liebe offenbart.


Wenn wir heute auf die Ukraine schauen, dann fragen wir uns, wie wir uns als Christen verhalten sollen? Ist dieser Weg, den Jesus geht, auch der Weg, den wir als Christen gehen sollen? Gewaltlosigkeit und Nächstenliebe bis zum Äußersten? Feindesliebe?


Für mich ist wichtig, dass dies der Weg ist, den Jesus für sich bewusst gewählt hat. Der ihm von Gott aufgetragene Weg. Als die Soldaten eintreffen, wird er für seine Jünger bitten: „Sucht ihr mich, dann lasst diese gehen!“ Damit zeigt er, dass sein Weg eben nicht für alle gilt, sondern nur für ihn. Zum Teil werden seine Jünger in ihrem späteren Leben ein ähnliches gewaltsames Schicksal erleiden. Aber auch sie tun das nur für sich, weil sie es als ihren Weg erkennen. Ich erkenne darin nicht einen Weg für jedermann.


Was sollen wir im Bezug auf den Ukrainekrieg als Christen tun? Was sollen die Ukrainer tun?


„Wachet und betet“, sagt Jesus seinen Jüngern im Garten. Wir beten für die Ukraine und für all die Opfer dieses Krieges in unseren Gottesdiensten. Wir erleben die große Solidarität der vielen Menschen, die Mahnwachen abhalten, die Geld oder Lebensmittel spenden, die Wohnraum zur Verfügung stellen oder Fahrten zur Grenze unternehmen, um Flüchtlinge abzuholen. Das berührt mich. Hier sagen sich Menschen: „Wenn ein Teil des Leibes leidet, so leidet der ganze Leib mit.“ In diesem Engagement sehe ich im Moment unsere Möglichkeiten, die wir haben. „Wachet und betet“.


Manche gehen weiter, schlagen sich eindeutig auf die Seite der Ukraine, führen einen Wirtschafts- oder Cyberkrieg oder liefern gar Waffen. Passt das noch zu Jesus? Dürfen sich Christen wehren? Schließlich hat Jesus doch gesagt: „Selig sind, die Frieden stiften“. Von meinem Glauben her bekomme ich keine eindeutige Antwort.


Einerseits kennt die Bibel auch Kriege, die im Namen Gottes geführt wurden. Ja, wo Gott selbst als Kriegsherr auftritt. Aber zur Zeit der Propheten oder spätestens mit Jesus klingt die Bibel anders. Das große Thema der Bibel ist Friede, nicht Krieg. Ja, Jesus warnt im Garten noch seine Jünger, als sie kämpfen wollen: „Steckt eure Waffen weg, denn wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“ Und viele Christen sagen darum für sich: „Ich bin Christ. Ich kann und darf nicht kämpfen.“

Aber kann man es verdenken, wenn sich jemand wehrt, wenn die eigene Familie, das eigene Land oder das eigene Volk angegriffen wird? Ich schaue auf einen der größten Theologen des 20. Jahrhunderts, Dietrich Bonhoeffer. Er setzte sich im Krieg für die Widerstandsbewegung gegen Hitler ein. Als ein Mithäftling im Gefängnis ihn daraufhin ansprach und fragte, warum er das getan habe, antwortete er: "Wenn ein Betrunkener mit dem Auto fährt, genügt es nicht, das Opfer unter dem Rad zu verbinden, man muss dem Rad selbst in die Speichen greifen." Er hatte für sich erkannt, dass man in der Verantwortung vor Gott auch etwas tun muss.

Der Staat Israel zog aus der Vernichtung von Juden im Dritten Reich den Schluss: „Das darf es nie wieder geben.“ Noch heute schwören israelische Rekruten auf dem Felsen Masada den Eid: „Masada darf nie wieder fallen.“ Und sie spielen darauf an, dass der Felsen Masada die letzte Bastion im jüdischen Aufstand gegen die Römer gewesen war.

Sich wehren oder alles hinnehmen? Eine letzte Antwort verbietet sich mir vom Glauben her. Ich denke, sie muss jeder selbst für sich fällen, immer wieder. Ich glaube aber nicht, dass irgendein Krieg wirklich gerecht sein kann. Im Krieg wird man immer schuldig. Und zwar gleich, ob man sich wehrt, oder ob man tatenlos der Gewalt gegen andere zusieht. Wir kommen oft genug da nicht raus, dass wir uns zwischen zwei Übeln entscheiden müssen. Und „einfach nicht zum Krieg hin zu gehen“, wie Brecht einmal sagte, ist keine Option für diejenigen, zu denen der Krieg hinkommt.

Aber ich bin gewiss: wenn eine Entscheidung aus dem Glauben heraus getroffen wird, in der Verantwortung vor Gott, dann ist diese Entscheidung im Kreuz Jesu Christi zuletzt gerechtfertigt. Nicht weil sie richtig ist, sondern weil Gott den Sünder rechtfertigt. Weil er uns vergibt. Erst in der Aporie, wo man gar nicht anders kann als schuldig zu werden, erkennt man die Tiefe, was es meint: Dir sind deine Sünden vergeben.


Was mich aber beindruckt, sind immer wieder Ideen, wie man den Krieg beenden könnte: als die Brüder Klitschko die Religionsführer der Welt aufforderten, zu ihnen nach Kiew zu kommen und sich für den Frieden einzusetzen. Und haben sie nicht recht? Haben wir als Kirchen wirklich alles versucht? Haben wir keine Kanäle zur russisch-orthodoxen Kirche, die wir nutzen könnten?

Ich habe großen Respekt, wenn Menschen in Russland sich gegen den Krieg aussprechen und dafür riskieren, verhaftet zu werden. Oder wenn hier russischstämmige Menschen ihre Stimme erheben.


Damals im Kosovo-Krieg in den 90ern beeindruckte mich, als Mütter deutscher Soldaten nach Jugoslawien fuhren, um dort für den Frieden zu demonstrieren. Mich beeindruckte damals, als in München auf einer ökumenischen Kundgebung Albaner und Serben gleichermaßen für den Frieden beteten.


Manchmal tun aber auch Legenden gut. Von Franz von Assisi, dem Gründer des Franziskanerordens im Mittelalter, wird eine Legende erzählt:

Die Stadt Gubbio wurde von einem Wolf geplagt, der die Umgebung unsicher machte. Die Bewohner hatten Angst. Franz erklärte sich bereit, mit dem Wolf zu reden. Die Bewohner warnten ihn, aber Franz ging dennoch vor die Stadt. Da kam der Wolf auf ihn zugerannt. Jedoch als Franz das Kreuzeszeichen machte, blieb der Wolf stehen und legte sich ihm zu Füßen. Franz redete ihm ins Gewissen. Dann vergab er ihm und empfahl den Bewohnern, den Wolf jeden Tag zu füttern, denn der habe Hunger. So kehrte Frieden ein.


Eine schöne Geschichte. Alles scheint so einfach. Doch in Wirklichkeit ist dies das Schwierigste, was uns aufgetragen ist: Frieden stiften. Es ist eine diplomatische Kunst und nichts für eine kurzatmige oder schwarz-weiß Politik. Das fängt bei mir und in meinem Umkreis an. Und kann von dort Kreise ziehen. Und viele solcher Kreise könnten vielleicht in der Ukraine etwas bewirken und eine Verschlimmerung verhindern. Amen.


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